Schmerz ist ein vielschichtiges Gefühl. Die unterschiedlichsten Ereignisse können uns verletzen, uns in verzehrende Trauer, eisige Stille oder lodernde Wut versetzen. Kora Winter kanalisieren diesen chaotischen Gemütszustand auf ihrer neuen EP in Musik. Dabei haben sie den besten Weg zum Ausbruch in der Dissonanz gefunden. Kein Klang der Welt vermag Verwirrtheit, Weltschmerz und Verrat besser ausdrücken als das urplötzlich hereindonnernde, schräg kreischende Mathcore-Riff im Opener „Bluten“. „Tausende Worte/ Kein einziger Satz/ Nichts ergibt mehr Sinn“ schließt Frontmann Hakan Halaç verbittert und resümiert damit den Konsens eines Werks, dass die Hoffnung aufgegeben hat.
Dabei könnte die Titelreihenfolge „Bluten“, „Stiche“ und „Narben“ zunächst suggerieren, dass auch die tiefsten Wunden schlussendlich genäht werden können. Doch der Lichtblick vergeht schnell, wenn die scheinbare Heilung zu mantraesk repetierten Messerstichen umgedeutet wird. Verächtlich keifende Orkane aus ächzenden Gitarren verdunkeln den Schimmer Schlag für Schlag immer mehr. Momenten zum Atmen wird Platz gelassen, nur um sie nach kurzer Zeit mit aller Gewalt wieder zu erdrücken. Alles an dieser Musik erscheint so brutal und herzzerreißend, und klingt dabei doch erschütternd logisch. So logisch, dass die Songs der Band Platz für atemberaubende Experimente lassen. Der Wechsel von cleanen Vocals zu giftig-verruchten Shouts klingt dabei genauso natürlich wie der Einsatz eines Jazz-Saxophon-Solos. Man mag kaum glauben, wie nahtlos sich diese so weit entfernte Musik in bedrohliche Hardcore-Riffs einfügt. Dass das funktioniert, beweist die beeindruckende Fertigkeit dieser jungen Band.